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Von Markus Rudolf

Mit der Krise der amerikanischen Silicon Valley Bank im Jahr 2023, dem Niedergang der schweizerischen Credit Suisse im Jahr 2024 und der beginnenden Übernahme der Commerzbank durch UniCredit scheinen 10 Jahre relativer Stabilität für die internationalen Banken ein Ende gefunden zu haben. Alle drei Fälle haben ihren Ursprung in der Banken- und Finanzkrise der Jahre 2008 bis 2012 und letztlich im Zusammenbruch von Lehman Brothers. Der Lehman Brothers Fall im Jahr 2008 stürzte zahlreiche Banken in die Krise, zunächst in Island und Irland später auch in Großbritannien und auf dem europäischen Kontinent. Ganze Staaten und der Euro mussten sich gegen ihren eigenen Untergang stemmen, indem sie ganze Bankensysteme gerettet haben. Zur Stabilisierung wurden sowohl in der Europäischen Union als auch weltweit umfassende Maßnahmen ergriffen, die das Bankensystem erheblich stabilisierten. Trotz der jahrelangen Phase von Nullzinsen kam es dann zu keinen nennenswerten Verwerfungen unter den globalen Banken – bis 2023.

Eigenkapital-Ausstattung des internationalen Bankensystems

Im September 2008 ging die 1850 gegründete New Yorker Investmentbank Lehman Brothers unter – als Reaktion auf die sogenannte Subprime-Krise, eine Immobilienkrise, die in einigen US-Bundesstaaten, insbesondere in Kalifornien, Texas und Florida, ihren Ursprung hatte. Der Zusammenbruch von Lehman Brothers markierte den Beginn einer beispiellosen globalen Finanzmarktkrise, die zunächst das weltweite Bankensystem traf und später auch die Stabilität ganzer Staaten gefährdete – darunter Island, Irland, Spanien und Zypern. Diese Krise stellte zudem die erste ernsthafte Prüfung des Euro als gemeinsame Währung Europas dar.

Auch in Deutschland hinterließ der Lehman-Zusammenbruch tiefe Spuren. Besonders betroffen war die Hypo Real Estate (heute: Deutsche Pfandbriefbank), deren Krise zur Einrichtung von Bad Banks in Deutschland führte, darunter die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) und die FMS Wertmanagement. In der Folge infizierte die Instabilität des Bankensektors das gesamte Euro-System. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise kam es im März 2012 zu einem 53,5-prozentigen Schuldenschnitt (Haircut) der griechischen Staatsschulden, um die Zahlungsfähigkeit des Landes wiederherzustellen.

Deutschland und die EU reagierten auf diese finanziellen Krisenjahre mit erheblichen Verschärfungen der Regulierungen. Eine Bankenabgabe wurde eingeführt, die zunächst in einen Fonds der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung eingezahlt wurde und der zwischenzeitlich in den europäischen Single Resolution Fund (SRF) weiter gereicht wird. Außerdem wurden im Zuge der Basel III Regeln die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattungen der Banken weltweit verschärft. Die Kernkapitalquote stieg von 2% auf 4.5% und zusammen mit dem zusätzlichen Eigenkapital, und dem Kapitalerhaltungspuffer liegt die Minimum-Eigenkapitalquote nun bei 10.5% der risikogewichteten Aktiva anstatt bei 4% wie im Jahr 2010. Gleichzeitig hat die Europäische Zentralbank mit dem Single Supervisory Mechanism (SSM) und dem Single Resolution Mechanism (SRM) eine Europäische Bankenunion geschaffen.

Tatsächlich war die Eigenkapitalausstattung der internationalen Banken in den 2000er Jahren historisch niedrig, Allen N. Berger und David B. Humphrey (1997) weisen das in ihrem Artikel nach. Im 19. Jahrhundert lag die Eigenkapitalquote von Banken eher zwischen 30% und 50%; erst seit den 1950er Jahren hat der Wettbewerb und die zunehmende Globalisierung zu immer niedrigeren Eigenkapitalquoten bei den Banken geführt. Und damit auch zu substanziell höheren Risiken. Der extrem hohe Leverage der Banken bis zur Finanzkrise wurde durch die neue Regulierung seit 2011 gesenkt.

Das Ende der Stabilität bei den europäischen Banken

Zwischen 2015 und 2021 war das Zinsniveau auf dem deutschen Kapitalmarkt um 0%. Eine solche Situation gab es im Nachkriegs-Europa noch nie. Gleichzeitig sanken die Zinsspreads der anderen europäischen Länder zu Deutschland wieder auf unter 2%. Selbst Griechenland, das seinen Schuldnern noch 2012 einen Haircut zumuten musste, kann sich wieder am Kapitalmarkt finanzieren auf einem moderaten Zinsniveau. Das Zusammenspiel zwischen der EZB und den nationalen und europäischen Regulierern konnte das Bankensystem in Europa mindestens bis 2021 stabilisieren, obgleich ein so niedriges Zinsniveau das Geschäftsmodell der Geschäftsbanken eigentlich vor eine schwere Prüfung stellt.

Im Februar 2021 mussten wir einen jähen Anstieg der Inflation und damit auch der Zinsen infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine erleben. Das Geschäftsmodell der Silicon Valley Bank (SVB) bestand darin, Einlagen von Start-Ups im Silicon Valley entgegenzunehmen. Die SVB war mit einer Bilanzsumme in Höhe von $ 800 Milliarden keine kleine Bank. Sie brach in wenigen Tagen zusammen als die Zinsen stiegen, weil die Bewertungen dieser Start-Ups zusammenbrachen und sie in Folge dessen ihre Guthaben bei der SVB abziehen mussten. Innerhalb weniger Tage war die SVB nicht mehr in der Lage, die Beträge auszuzahlen.

Gleichzeitig kam in Europa ein Banken-Drama an seinen Entscheidungspunkt, welches viele Jahre zuvor entstanden war. Die schweizerische Credit Suisse war seit 2019 in mehrere Skandale verwickelt, darunter der Spionageskandal, Greensill, Archegos, Mozambique, und viele andere (Pascal Böni und Heinz Zimmermann analysieren das in ihrem 2024er Paper in der Financial Markets and Portfolio Management sehr detailliert). Die CS hatte zu dem Zeitpunkt eine Kernkapitalquote von über 15%. Und dennoch ging sie 2023 unter. Kurios war allerdings, dass nicht eine Unterkapitalisierung wie in den 2000er Jahren ursächlich war für den Untergang, sondern indirekt der Zusammenbruch der SVB. Durch den Zusammenbruch der SVB erdodierte das Vertrauen auch in die europäischen Banken und die CS erwies sich als diejenige Bank in Europa, die das Vertrauen der Investoren am wenigsten verdient hatte. Die schweizerische Regierung ordnete dann in einem beispiellosen Verfahren an, dass die verbliebene Großbank der Schweiz – die UBS – die CS zu übernehmen hätte zu Konditionen, die aus finanzieller Sicht abenteuerlich vorteilhaft für die UBS waren. Allerdings konnte so die Integrität des schweizerischen Finanzplatzes gewahrt bleiben – vorerst, denn die UBS stellt ein enormes Klumpenrisko für den Finanzplatz dar.

Dann kehrte allerdings nur kurzfristig Ruhe ein im europäischen Bankensystem. Im September 2024 kündigte Manfred Knof, der CEO der deutschen Commerzbank, seinen Rücktritt an. Obgleich die Bank zum ersten Mal seit der Finanzkrise und seit den Zinssteigerungen wieder Profitabilität zeigen konnte und obgleich die Kapitalausstattung durchaus stattlich geworden war. Allerdings kündigte die Chefin der Deutschen Finanzagentur Eva Grundwald an, ihren in der Finanzkrise erworbenen Anteil in Höhe von 16.5% an der Commerzbank um zunächst 4.5% zu reduzieren. Gleichzeitig kündigte sie an, weitere 4.5% am offenen Markt für insgesamt € 1.4 Mrd. zu veräußern. Diesen Umstand nutzte die italienische UniCredit umgehend, um ihren Fußabdruck im deutschen Bankenmarkt nach der Übernahme der Hypovereinsbank im Jahr 2009 zu vergrößern. Sie erwarb die 4.5% von der deutschen Finanzagentur. Seitdem ist ein Abwehrkampf bei der Commerzbank und ihrer neuen Chefin Bettina Orlopp im Gange, der von der Öffentlichkeit in Deutschland mit viel Aufmerksamkeit bedacht wird.

Wie geht es weiter?

Claudia Buch von der EZB hielt im Oktober 2024 eine Rede an der Bocconi in Mailand über die Profitabilität der europäischen Banken. Demnach hat die zusätzliche Regulierung seit den 2010er Jahren der Profitabilität der europäischen Banken nicht geschadet. Im Gegenteil. Auch Dank der gestiegenen Zinsmarge seit 2021 stehen die europäischen Banken gut da. Und dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – kommt jetzt zum ersten Mal seit der Finanzkrise wieder Bewegung in den europäischen Bankenmarkt. Die Credit Suisse und die Commerzbank könnten nur der Anfang gewesen sein. Das Paper von Böni und Zimmermann zeigt, wie vulnerabel die CS 2023 war. Mit Übernehmern aus Europa oder auch von außerhalb Europas (siehe Fosun aus China die bei Hauck Aufhäuser Lampe eingestiegen sind) ist zu rechnen. Wobei deutsche Banken wegen ihrer zwar steigenden aber im internationalen Vergleich niedrigen Profitabilität eher Target sein dürften, als Übernehmer.  

Autor

Prof. Dr. Markus Rudolf

Mitglied des Beirats
WHU – Otto Beisheim School of Management