
Ein Jahr im Zeichen von Geopolitischen Krisen, regulatorischen Herausforderungen und KI
Laut Chefökonomen gab es in den letzten fünf Jahren in jedem einzelnen Jahr so viele wirtschaftliche und politische Ereignisse, wie sonst nur in einem Jahrzehnt. Das war auch 2024 nicht anders. Das Jahr 2024 brachte für Risikomanager zahlreiche Herausforderungen, aber auch Chancen. Die Sitzungen des FIRM Banking Risk Round Table (BRRT) boten eine wertvolle Plattform, um aktuelle Risiken, regulatorische Anforderungen und technologische Entwicklungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten.
Geopolitische Konflikte im Fokus
Geopolitische Konflikte standen im Zentrum der Risikobewertungen der Finanzindustrie: Israel-Hamas, Iran, Russland-Ukraine, China, Nordkorea und die Wiederwahl von Donald Trump. Die geopolitischen Risiken wurden als die größten Bedrohungen bewertet, die zu tiefgreifenden Auswirkungen auf Kredit-, Markt-, Liquiditäts-, Sanktions- und Cyberrisiken führen können. Die geopolitischen Spannungen verdeutlichten, dass neben unmittelbaren Auswirkungen vor allem Second-Order-Risiken – wie strukturelle wirtschaftliche Veränderungen oder Störungen in Lieferketten – langfristig schwerer zu adressieren sind. Die Mitglieder des BRRT diskutierten, wie Banken ihre Risikosteuerung an diese Herausforderungen anpassen können, angefangen bei der Definition von Szenarien bis hin zur Analyse der betroffenen Risikoarten. Die Diskussionen zeigten, dass Banken zwar Erfahrung im Umgang mit kurzfristigen Schocks haben, aber die längerfristigen, indirekten Risiken oft schwerer zu quantifizieren und zu managen sind. Daher wurde die Erweiterung der Stresstestkapazitäten als zentrale Maßnahme zur Vorbereitung auf solche Szenarien empfohlen.
Fehlinformation durch KI und Social Media
Als eine der möglichen Emerging Risiken wurden Fehlinformationen z.B. durch Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) oder Social Media identifiziert. Das Jahr 2023 hatte bereits gezeigt, wie effektiv und schnell gezielte Desinformationen die Märkte beeinflussen können. FIRM hat deswegen das Thema Fake News und Reputationsrisiken priorisiert und in einer Arbeitsgruppe mit Banken weiter vertieft. Ein neues Forschungsprojekt mit dem Titel „Popular Corporate Narratives and Financial Vulnerabilities“ widmet sich der Analyse dieser Risiken und wird mit dem Forscherteam der TU Dortmund und Universität Duisburg-Essen untersuchen, wie mediale Berichterstattung und gezielte Narrative die Reputation von Banken beeinflussen und welche quantitativen und qualitativen Strategien zur Risikominderung entwickelt werden können.
Forschungsprojekt zu ESG
Die Mitglieder des BRRT konzentrierten sich zudem auf die zunehmenden ESG-Anforderungen der Aufsicht. Neben intensiven Diskussionen zur ECB-Leitlinie für Klima- und Umweltrisiken wurde die Integration von Klimarisiken in das Risikomanagement und die Kapitalplanung thematisiert. In diesem Zusammenhang wurde in Kooperation mit Universität Gießen und der Frankfurt School of Finance & Management ein neues Forschungsprojekt vorgestellt mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels auf das Kreditrisiko von Banken zu untersuchen und neue, innovative Ansätze zur Quantifizierung der Klima-bezogenen Risiken zu entwickeln.
Ein weiterer Schwerpunkt im Jahr 2024 war die Einführung von CRR III und des Output Floors. Ein externer Vortrag verdeutlichte die Herausforderungen bei der Umsetzung und präsentierte Ansätze zur Optimierung der risikogewichteten Aktiva (RWA) sowie zur Verbesserung der Kapitaleffizienz. Strategische Portfoliobereinigungen, neue Methoden zur Datenqualität und Risikominderungstechniken waren zentrale Diskussionspunkte.
Nutzung von KI im Risikomanagement
Ein weiterer Schwerpunkt des BRRT war die Nutzung von KI im Rahmen von Risikomanagement. Diskutiert wurden vielseitige Anwendungsfälle für KI, die zur Effizienzsteigerung, Risikominderung und Prozessoptimierung eingesetzt werden können. Parallel dazu wurden auch die Herausforderungen des AI Acts erläutert inkl. neue Anforderungen an Governance, Transparenz und Fairness. Die Mitglieder des BRRT waren sich einig, dass KI ein zentraler Treiber für Innovation und Effizienz im Bankensektor bleibt und dass die Banken KI strategisch einsetzen sollen, um langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Das Jahr 2024 unterstrich erneut die enge Verzahnung zwischen geopolitischen Entwicklungen, regulatorischen Anforderungen und technologischen Innovationen. Dabei zeigte sich, dass Banken, um den dynamischen Entwicklungen gerecht zu werden, nicht nur kurzfristig reagieren, sondern ihre Strategien langfristig anpassen müssen. Die Diskussionen und Forschungsschwerpunkte des BRRT lieferten hierfür konkrete Ansätze, um die vielschichtigen Risiken zu identifizieren, zu simulieren und gezielt zu managen. Die Lektion aus den letzten fünf Jahren bleibt also auch für 2025 bestehen: Flexibilität und vorausschauendes Risikomanagement sind der Schlüssel, um in einer Welt, in der jedes Jahr die Herausforderungen eines ganzen Jahrzehnts bereithält, erfolgreich agieren zu können.